Landesblindengeld

Stellungnahme des Vorstands

Diese ging an Frau Katja Rathje-Hoffmann, Vorsitzende des Sozialausschusses Landeshaus, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel

Anhörung des Sozialausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags sozialausschuss@landtag.ltsh.de

Anhebung des Landesblindengeldes und Einführung eines Gehörlosengeldes, Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 20/254 Nachteilsausgleich für blinde und sehbehinderte Menschen
Alternativantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 20/309

Sehr geehrte Frau Rathje-Hoffmann, geehrte Mitglieder des Sozialausschusses,

als Landesverein der blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen mit derzeit mehr als 700 Mitgliedern danken wir für die Möglichkeit, die Sicht der Betroffenen einzubringen.

Das Landesblindengeld ist ein bewährter Baustein im System der sozialen Sicherung und zur Ermöglichung von Teilhabe für blinde Menschen. In Schleswig-Holstein ist es seit 2013 nicht angepasst worden und ist seit langem das niedrigste ganz Deutschlands. Wir möchten uns mit all unseren Möglichkeiten dafür verwenden, dass dies im Jahr 2023 geändert wird und sprechen uns für eine Orientierung am Bundesdurchschnitt aus. So, wie es auch Sozialministerin Aminata Touré in der Plenardebatte am 28.09.2022 zum Ausdruck brachte, sehen auch wir unaufschiebbaren Handlungsbedarf des Gesetzgebers und möchten dies im Folgenden aus Betroffenensicht näher erläutern.

Der Ausfall des Sehsinns wirkt sich behindernd auf Informationsaufnahme, Orientierung, Mobilität und Teilhabe aus. Dabei sind die konkreten Lebensumstände und Anforderungen sowie der Grad von deren Bewältigung höchst verschieden, verursachen in jedem Fall jedoch einen Mehraufwand an Hilfeleistungen. Ob sie allein leben, in Familie oder einer Einrichtung – ihre soziale Situation sowie das Maß von gelebter Selbstbestimmung und Teilhabe wäre ohne die Kompensation der damit verbundenen finanziellen Mehraufwendungen geringer in Quantität und Qualität.

Der Einkommensunabhängige blindheitsbedingte Mehraufwand ist allgemein anerkannt. Dem wird in allen Bundesländern durch Zahlung eines Blindengeldes entsprochen, allerdings unterschiedlich in Höhe und Abstufung. In welchem Bundesland sie wohnen, bringt für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen leider gravierende Unterschiede für das Maß der finanziellen Absicherung von Alltagsbewältigung und Teilhabe. Gerade in einem Flächenland sind die Wege zu Behörden, Einrichtungen der medizinischen Versorgung, des Handels, des Dienstleistungsbereichs, von Bildung, Sport, Kultur und Freizeitgestaltung, zu Nachbarn, Freunden und Angehörigen mit höheren persönlichen Aufwendungen verbunden und sind die Wahlmöglichkeiten bei deren Inanspruchnahme begrenzt.

Auf dem Hintergrund einer permanenten und aktuell sogar zunehmenden allgemeinen Teuerung bedeutet eine Nichtanpassung faktisch Verschlechterung, steht also den anerkannten Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention zur stetigen Verbesserung von Teilhabe und Nachteilsausgleich diametral entgegen.

Wir sprechen uns für eine Dynamisierung der Leistungsbemessung aus, wie das in mehr und mehr Bundesländern geregelt ist. Der blindheitsbedingte Mehraufwand für Alltagsbewältigung und soziale Teilhabe ist in vollem Maße von der allgemeinen Teuerung betroffen. Das reicht von den individuellen Beförderungsleistungen durch Angehörige, Nachbarn oder Taxinutzung über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen wie Vorlesen, Textübertragung, Begleitung, weiter über Lieferdienste und zusätzliche Aufwendungen für die Hilfsmittelnutzung bis hin zu der Tatsache, dass oftmals nur die teureren Haushaltsgeräte und Dienstleister eine gewisse Barrierefreiheit bieten.

Wer nicht nur blind, sondern auch taub bzw. hochgradig sehbehindert ist oder an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leidet, hat zweifellos einen erheblich zusätzlichen Mehrbedarf. In Schleswig-Holstein wird dem immerhin Rechnung getragen, indem diesem Personenkreis mit dem Merkzeichen TBl im Schwerbehindertenausweis ein um 25% aufgestocktes Blindengeld gewährt wird. Damit gehört unser Bundesland zu den Ländern, die dem erhöhten Bedarf einer mehrfachen Sinnesbehinderung immerhin Rechnung tragen.

Auch hochgradig sehbehinderte Menschen mit einem Sehvermögen zwischen 2 und 5% haben einen ähnlichen behinderungsbedingten Mehraufwand, der bereits in 8 Bundesländern in einer Leistungsgewährung berücksichtigt wird, oft als „kleines Blindengeld“ bezeichnet. Wir sprechen uns dafür aus, dass sich Schleswig-Holstein an diesen Bundesländern orientiert.

Bestrebungen, die finanzielle Kompensation behinderungsspezifischer Mehraufwendungen übergreifend mit einem Bundesteilhabegeld zu regeln, begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Nach unserer Einschätzung ist eine solche Regelung jedoch nicht in greifbarer Nähe.

Der Blinden- und Sehbehindertenverein Schleswig-Holstein erkennt ausdrücklich die Notwendigkeit eines einkommensunabhängigen Nachteilsausgleichs für gehörlose Menschen an und spricht sich dafür aus, die verschiedenen Leistungsbezüge in einem Sinnesbehindertengeldgesetz des Landes Schleswig-Holstein zu bündeln.

Für den Vorstand des Blinden- und Sehbehindertenvereins Schleswig-Holstein e. V.

Dr. Jürgen Trinkus (Vorsitzender)

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